Rilke, Gongfucha und Teetisch
Als ich mich mit der Frage der weiteren Entwicklung Shui Tangs beschäftigt, wurde es mir bewusst wie schwierig das Ändern ist. Da fand ich Gedichten von Rilke, die mich inspirierten!
Vielleicht kann ich hier mit einem Gedicht von Rilke diesen suchenden und oft melancholischen Prozess des Änderns veranschaulichen:
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiel den letzten Früchten, voll zu sein;
Gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süsse in den Schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. (Herbsttag 1902 aus «Das Buch der Bilder»)
主呵,是時候了。夏天盛極一時。
把你的陰影置於日晷上,
讓風吹過牧場。
讓枝頭最後的果實飽滿;
再給兩天南方的好天氣,
催它們成熟,把
最後的甘甜壓進濃酒。
誰此時沒有房子,就不必建造,
誰此時孤獨,就永遠孤獨。
就醒著 讀書 寫長信
在林蔭道上來回踟躅
在落葉紛飛時
Der Herbst folgt dem grossen Sommer. Vergänglichkeit ist das Gesetz. Trotz des neigenden Endes des Wachstums verlieren wir den Zugang zum Schöpferischen nicht. Der Herbst im Leben ist fruchtbar. Er ist fruchtbar, weil der Wanderer einen Raum geschaffen hat. Er geht bewusst in die Einsamkeit, während die Aussenwelt sich wandelt und Dinge sich auflösen. Die Einsamkeit schenkt einen Raum, um die leise Strömung in uns zuzuhören. Eine neue Sicht zur Welt kann geöffnet werden und ein Ändern findet statt. Man fühlt sich wieder mit der Welt verbunden, weil die Zerrissenheit des Inneren eine Heilung erlebt. Somit kann sich das im Aussen Vergangene und Aufgelöste wieder zu etwas Neuem formieren.
Noch zwei südlichere Tage, Dinge können reifen. Dann kann der Wanderer wieder aus seiner Einsamkeit hinaus in die Welt, mit seiner schöpferischen Kraft die von Winde verwehten Blätter sammeln und zu wunderbaren Tenmoku Schale zu verwandeln oder zu einer Schale Tee dichten.
Ist der Teetisch vielleicht die Gehäuse der Einsamkeit selbst? Manchmal ist es die Zeit, Haus zu bauen. Manchmal kommt die Zeit, das innere Haus zu pflegen. Der Teetisch kann das innere Haus sein. Getrennt von aussen Welt, wenn wir trinken, hören und reifen. Auf die Gemeinschaft kann der Wanderer zählen, auch wenn das äussere Haus nicht vorhanden ist.
Während die Blätter im Winde treiben, treiben wir im Gongfucha die Teeblätter in der Kanne. Später werden wir den eigenen Weg weitergehen, wandeln, mutieren und sterben. Wir werden wie die Teeblätter zu Staub oder zur Erde werde. Dann gibt es eine Hand, die uns zur Tianmu Schale formt oder zum Teepflanzen anbauen. Der Anfang ist zugleich das Ende. Ist der Teetisch vielleicht auch ein Kompost? Damit alles Sterbliche dort verwandeln, ändern und mutieren? Das Ende führt zum einen Neuanfang?
Gongfucha gibt keine Antwort für die Suchenden. Er hilft uns dabei, uns diesen grossen Rahmen stets vor Augen zu führen und den Prozess der Verwandlung in unserem Leben lebendig zu pflegen.