Mutation
Ich habe sehr bewusst hier das Thema «Mutation» für unser Jubiläum gewählt, weil Shui Tang sich stets in einem Wandel befindet, genau wie unser Leben. Die letzten 15 Jahre haben Spuren hinterlassen. Ich beschäftige mich oft mit der Frage: wie weiter? Einfach weitermachen, oder mit einer neuen Kombination aus verschiedenen alten Mustern weiterzufahren, wird nicht für eine Erneuerung genügen. So wie unsere Welt sich in einem grossen Wandel befindet, brauchen auch wir ein übergreifendes neues Bewusstsein.
Mutation wird in der Naturwissenschaft und im gesellschaftlichen Diskurs oft negativ konnotiert. Für mich hat der Begriff Mutation die Schlagkraft eines Wandels, aus dem etwas Unglaubliches und Unvorhersehbares entstehen kann! In der fernöstlichen Kultur, vor allem im Zen-Buddhismus übt sich der Suchende jahrelang an einer Fragestellung – ein langer Prozess der Transformation, während dem sich die Frage und Antwort stets wiederholen, so als ob man sich in einem stetigen Reinigungsprozess allmählich zum Zentrum bewegen würde. Das ist sehr ähnlich wie das christliche Labyrinth. In einem sogenannten magischen Moment geschieht ein plötzlicher Wandel, in dem der Suchende im Zentrum ankommt, seine Sichtweise für die Welt weiter öffnet und eine neue Erkenntnis erlangt. Das alte Ich ist aufgelöst und ein neues Ich entsteht.
Für mich erklärt der Begriff «Mutation» somit weitreichend den gesamten Prozess des Wandels. Und diese Magie zur Öffnung des Bewusstseins ist vielleicht genau die Anziehungskraft des Gongfuchas. Egal in welcher Gesellschaft und in welcher Epoche, er verliert seine Wirkung nicht. Menschen glauben an ihn und praktizieren ihn.
Der Teetisch gibt keine Antwort auf die Geschichte, sondern schafft einen grossen Rahmen, bevor wir uns eine Meinung bilden. Bei jedem Aufguss wird ein neuer Kreislauf angeregt. Während des Wiederholens kann man am Teetisch noch einmal den Geschmack des Tees erleben und vertiefen. Das Gleiche geschieht in unserem Prozess der Mutation des Bewusstseins. Reflexion, Reinigung and Erneuerung wiederholen sich in einem Kreislauf. Eine Heilung kann geschehen. Anfang ist gleich Ende. Das Ende verkündet den Anfang. Liebe offenbart sich genau im Übergang – wo die Dunkelheit endet, die Dämmerung anbricht und das Licht sich blicken lässt. Dort beginnt der Prozess. Der Übergang ist für die Alchemisten der Merkurbrunnen des Rosariums und für Teeliebhaber der Teetisch des Gongfucha. Das ist ein wunderbarer Rahmen für eine Mutation.